Josef Mantl

Moving Forward Round Table Artificial Intelligence

(c) Lukas Pichelmann

Medizin der Zukunft: Eine gesunde Mischung aus ethischen Standards und künstlicher Intelligenz.

Österreichisches Wissen aus den USA – Julia M. Puaschunder zeigte beim Moving Forward Round Table, wie neue Technologien das Gesundheitswesen verbessern und wo die politischen und juristischen Herausforderungen liegen. JMC und die AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA starteten das neue Jahr mit transatlantischem Wissensaustausch: Bei einem Moving Forward Round Table im Wiener Hotel Lé Meridien blickte Julia M. Puaschunder, Researcherin an der Columbia University und The New School (New York City), in die Zukunft der Medizin und erklärt, wo Europas Chancen liegen.

„Multinationale Aktivitäten wie Moving Forward motivieren Unternehmerinnen und Unternehmer bei der internationalen Expansion. Die hohen Standards im österreichischen Healthcare-Sektor sind international vorbildgebend und erleichtern spezialisierten Innovationsunternehmen den Markteinstieg in den Vereinigten Staaten“, begrüßte Michael Scherz (AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA).

„Künstliche Intelligenz ist ein treibendes Thema, das Unternehmen großartige Möglichkeiten zur Skalierung und Internationalisierung bietet. Um von den Chancen der Digitalisierung zu profitieren, braucht es eine herausragende Bildung, die fit für den gewinnbringenden Einsatz neuer Technologien macht. Das Gesundheitswesen zählt zu den Wachstumsmärkten schlechthin, in denen Know-how aus Österreich punkten kann“, unterstrich Christiane Holzinger, Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft.

„Der Austausch zwischen Wien und New York ist die beste Business-Brücke für expandierende Unternehmen. Die Vernetzung von Wissen und das gegenseitige Verständnis ist die Basis, um erfolgreich in die Vereinigten Staaten zu expandieren. Die am Gemeinwohl orientierte Start-up-Szene an der Ostküste ist ein fruchtbarer Boden für Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigen“, durfte ich ergänzen.

Einnahmequelle Medizin statt Kostenfalle Gesundheitssystem

„Medizin ist die ökonomische Königsdisziplin. Sie erzielt die höchsten Margen. Für ihre Gesundheit sind die Menschen bereit, nahezu jeden Preis zu bezahlen“, leitete Puaschunder ein.

Die Kosten im österreichischen Gesundheitssystem werden sich in der begonnen Dekade verdoppeln. Eine Studie der deutschen Bertelsmann Stiftung warnt vor einer drohenden Staatsverschuldung in der Bundesrepublik, wenn das Pensions- und Gesundheitssystem nicht grundlegend reformiert wird. In Westeuropa mit seiner alternden Gesellschaft werden 70 Prozent der gesamten Gesundheitskosten in den letzten Lebenswochen verursacht. Durch diesen ökonomischen Druck kommt es langfristig zu einer Entdemokratisierung der Gesundheit und einer schlechteren Versorgungsqualität. Der Trend zur Glocalisation und Slowbalisation verlangsamt sowohl die globalen Handels- als auch Finanzströme. Im Gegensatz dazu nimmt der globale Datenaustausch durch Artificial Intelligence und vernetzte Technologien exponentiell zu. Puaschunder ist überzeugt davon, dass sich in naher Zukunft Hubs für künstliche Intelligenz bilden werden. Wo diese genau lokalisiert sein werden, lässt sich heute noch nicht sagen. China beansprucht zwar für sich, binnen der nächsten zehn Jahre zur führenden Nation für Artificial Intelligence zu werden. Danach sieht es aktuell jedoch nicht aus: In einer von Puaschunder mitverfassten Princeton-Studie, in der Internet-Konnektivität und Bruttoinlandsprodukt in Korrelation gesetzt wurden, zeigen sich die skandinavischen Staaten als weltweit führend.

Dezentrale Medizin durch Smart Devices

Es gab noch nie so viel dezentralisierte Medizin wie heute durch personalisierte und massendatenbasierte Präventivmedizin, die durch Wearables und Smart Devices ermöglicht wird, berichtet die Wissenschaftlerin. Präzision und Effizienz können durch Big Data erstmals rational bewertet werden, wodurch sich neue weltweite Standards bilden. Sie warnt auch vor Risiken: Diskriminierung, Stratifizierung und soziale Exklusion sind ebenso kritisch zu betrachten wie Fragen hinsichtlich der Privatsphäre oder die Dominanz des Marktes über der Menschlichkeit. Ängste vor neuen Technologien sind weit verbreitet: Mediziner fürchten um ihre Jobs und öffentliche Verwaltungen haben keine Strategien für den Umgang mit Daten.

Einen großen Vorteil hob die Wissenschaftlerin hervor: „Artificial Intelligence ist korruptionsfrei und unbestechlich.“

Bei Big Data geht es um Leben und Tod

„Europa schickt durch die Nutzung von Software jeden Tag unglaubliche Datenmengen in die USA, ohne Geld daran zu verdienen oder von den Daten zu profitieren“, verdeutlichte Puaschunder.

Die Europäische Union kann jedoch Geld durch Medizin verdienen, wenn sie künftig im Rahmen ethischer Grenzen durch 5G-Technologie Big Data sammelt und auswertet. Neue Auswertungsmethoden wie Bayesian Hierarchical Modeling bieten erstmals die Möglichkeit, enorme Datenmenge sinnvoll auszuwerten. Die Präventivmedizin kann durch die dezentrale und anonymisierte Gesundheitsmessung revolutioniert werden. Trotz hoher Initialkosten sinken die Behandlungskosten durch den Technologieeinsatz langfristig.

Wettbewerbsvorteil für die Europäische Union

Die EU hat ungleich bessere Voraussetzungen als China oder die Vereinigten Staaten, um das Gesundheitssystem durch den Einsatz von Daten zu verbessern. Durch das staatliche geprägte Gesundheitssystem verfügt Europa bereits über historisch gewachsene Datensätze und kann durch die Stärken seines Bildungssystems die Technologieführerschaft übernehmen, ohne ethische Standards zu verwässern. Auch die Pharmabranche hat ihren Ursprung in Europa und exportierte Medikamente in die Vereinigten Staaten, lange bevor sich dort ein eigener Markt entwickelt hat. In fraktionierten U.S.-Markt liegt der Fokus auf Notfallversorgung und rekonstruktiver Medizin. Kompetitive Anbieter erhöhen den Wettbewerbsdruck, wodurch die Klassenmedizin heute schon Alltag ist. Zudem ist die Sammlung von Massendaten durch Behörden (FCC und FTC) geregelt, die kaum ethischen Anspruch haben und sehr marktgetrieben agieren. China ist von einem problematischen Umgang mit Menschenrechten (Stichwort: Organernte) und dem neuen Social-Credit-System gekennzeichnet.

Vorreiterrolle durch hohe ethische Standards

Die EU setzt derzeit auf eine Ethik-Richtlinie im Gesundheitssystem, für die allerdings auch ein Verletzungskatalog entwickelt werden muss. Menschen sollen durch Marktanreize zum Teilen von Daten bewegt werden und dabei die Sicherheit haben, dass Big Data nicht zu ihrem Nachteil verwendet werden – es darf keine Diskriminierung anhand von Daten erfolgen. Puaschunder fordert zudem eine Datensteuer, um Technologieverluste auszugleichen. Im Umgang mit künstlicher Intelligenz und Robotern wird es soziale Normen brauchen, um beispielsweise ein rechtliches Korsett für die Behandlung von Pflegerobotern zu definieren.

„Menschlichkeit wird gewinnen! In einer zunehmend technologisierten Welt gewinnen Empathie, zwischenmenschlicher Austausch, Diversität und Humor an Bedeutung. Es wird einen Unterschied machen, ob ein Patient mit dem Pflegeroboter oder einem menschlichen Pfleger Schach spielt“, schloß Puaschunder.

Über Julia M. Puaschunder

Julia M. Puaschunder lehrt und forscht in New York City (USA). Als Verhaltensökonomin verfügt sie über 20 Jahre Erfahrung mit internationalen empirischen Projekten. Sie ist Autorin von sieben Büchern, die in über 500 Bibliotheken der Welt aufliegen. Puaschunder spezialisiert sich auf die Bereiche Finanzmärkte und Wirtschaftsethik, intergenerationale Fairness und Führungsverhalten. Vor ihrer derzeitigen Forschungsstelle als Prize Fellow im Inter-Universitätskonsortium von New York mit Aufenthalten an den Universitäten Columbia und Princeton sowie der New School war sie an der Universität Wien, der Wirtschaftsuniversität Wien sowie der Harvard University tätig. Sie ist im „2018 Marquis Who’s Who in America and in the World“ als Führungskraft gelistet und erhielt 2018 den Albert-Nelson-Marquis-Lifetime-Achievement-Award. Weitere Informationen auf https://juliampuaschunder.com.

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